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KLINIK FÜR UROLOGIE BOCHUM
Chefarzt Prof. Dr. med. Burkhard Ubrig

Überaktive Harnblase (Urge-Inkontinenz)

Jeder zehnte Deutsche, so hat es eine Erhebung der Deutschen Kontinenz-Gesellschaft ergeben, leidet unter Schwierigkeiten bei der Kontrolle des Wasserlassens. Inkontinenz ist weit verbreitet und wird dennoch tabuisiert. Betroffene leiden oft still. Dabei ist in vielen Fällen Hilfe möglich, die wir Ihnen in der Klinik für Urologie anbieten können.

Wir wissen, dass kein Fall wie der andere ist und suchen so nach individuellen Behandlungsansätzen, die in Abhängigkeit von den Ursachen der Inkontinenz stehen. Diese finden sich beispielsweise im Zusammenhang mit einer Überaktivität der Harnblase, andere mit dem  Beckenboden.

Überaktive Harnblase, was ist das?

Wieviel Urin die Harnblase maximal speichern kann, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Als Richtwert kann man von ca. 500 ml ausgehen. Ist die Harnblase gefüllt, signalisieren Nerven dem Gehirn das Bedürfnis nach Entleerung. Bei einer überaktiven Harnblase wird dieser Nervenreiz deutlich vor einer Füllung, also zu früh ausgelöst. Das Resultat ist ständiger Harndrang, aber auch häufiges, oft nächtliches, Wasserlassen und ungewollter Urinverlust - die sogenannten Drang- oder Urge-Inkontinenz.

Folgende Ursachen kommen in Betracht:

  • Akute oder chronische Harnwegsinfekte, die bisher unentdeckt oder untherapiert geblieben sind
  • Chronische abakterielle Entzündungen der Blasenschleimhaut
  • Überaktivität durch nervliche Fehlsteuerung des Blasenmuskels
  • Östrogenmangel bei Frauen, besonders in oder nach den Wechseljahren
  • Die gutartige Prostatavergrößerung beim Mann
  • Harnblasentumore oder deren Vorstufen (Carcinoma in situ)
  • Erkrankungen des Nervensystems (z.B. Parkinson, Schlaganfall, Multiple Sklerose)
  • Autoimmunerkrankungen 
  • Diabetes mellitus
  • Vorangegangene Bestrahlungstherapie z.B. bei Darmkrebs
  • Psychosomatische Ursachen

Aufgrund der Vielzahl der Ursachen steht vor jeder Therapie eine umfangreiche und gewissenhafte Diagnostik. Zu ihr gehören eine Urinuntersuchung und Anfertigung einer Urinkultur zum Nachweis von Bakterien, eine Blasendruckmessung und eine Blasenspiegelung ggf. mit Entnahme von Biopsien der Blasenschleimhaut. Mit den so gewonnenen Informationen können wir unter verschiedenen Behandlungsweisen wählen.

Medikamentöse Behandlung

Sollte die Diagnose keine schwerwiegende Grunderkrankung ergeben haben, ist eine Medikation ein sinnvoller Behandlungsansatz. So kann die Reizleitung im Bereich der nervlichen Versorgung der Harnblase verlangsamt werden, um die Beschwerden zu lindern oder sogar ganz zu beheben. 

Botox-Injektion

Im Falle einer überaktiven Harnblase, kann diese mittels kleiner Injektionen des Medikamentes Botulinum-Toxin (Botox) so weit gelähmt werden, dass die Beschwerden verschwinden und dennoch ein normales Wasserlassen möglich ist. Die Behandlung ist sicher. Der Effekt tritt häufig erst nach ca. 14 Tagen ein und hält in der Regel für 6-12 Monate an. Danach müssen die Injektionen bei Bedarf wiederholt werden. 

Neurosakrale Modulation („Blasenschrittmacher“)

Die Nerven der Harnblase lassen sich durch Stromreize beeinflussen. Ein Blasenschrittmacher wird minimalinvasiv unter die Haut oberhalb des Gesäßes implantiert. Dieser Schrittmacher kann von jeder Patientin und jedem Patienten kabellos über ein Steuergerät bedient werden, die Blasenentleerung erfolgt sozusagen „auf Knopfdruck“.

Vor der Implantation steht ein Test, bei dem unter Vollnarkose Elektroden an den Nerven des unteren Rückens angebracht werden, um den Erfolg der Maßnahme abzuschätzen. Nach der Implantation ist das Gerät dauerhaft im Betrieb, nach 5 bis 10 Jahren muss die Batterie gewechselt werden. Auch eine Entfernung oder Deaktivierung des Schrittmachers ist unproblematisch möglich. Neben der Harninkontinenz kommt ein solcher Schrittmacher auch bei Blasenentleerungstsörung sowie Stuhlinkontinenz und chronische Verstopfung (Obstipation) zum Einsatz.

Intermittierender Selbstkatheterismus (ISK)

Sollten vorherige Therapieversuche scheitern oder aus anderen Gründen nicht in Frage kommen, besteht die Möglichkeit, die Harnblase mittels Botox-Injektion vollständig zu lähmen. Eine Wasserlassen ist nun nicht mehr möglich, allerdings endet damit auch der ungewollte Urinverlust. Der Patient muss nun erlernen, die Harnblase nach der Uhr mehrmals täglich mittels eines dünnen Einmalkatheters zu entleeren. Die Wirkung des Botox hält 6 bis 12 Monaten an. Danach kann die Prozedur wiederholt oder dieser Therapieweg auch verlassen werden.

Bauchdeckenkatheter (SPFK)-Dauerversorgung

Die vorübergehende oder dauerhafte Katheterversorgung mittels eines Bauchdeckenkatheters kann z.B. bei pflegebedürftigen Patienten eine gute, hygienische Lösung darstellen. Hierbei wird 2 Finger oberhalb des Beckenknochens ein Katheter über die Bauchdecke in die Blase gelegt. Der so eingelegte Katheter muss alle 4-6 Wochen gewechselt werden. Dies geschieht über den bereits etablierten Kanal und wird vom niedergelassenen Urologen durchgeführt. 

Harnröhrenkatheter (DK)-Dauerversorgung

Ist die Anlage eines Bauchdeckenkatheters bei Pflegepatienten nicht möglich oder nicht gewünscht, so kann die dauerhafte Urinableitung über einen Katheter in der Harnröhre erfolgen. Dieser wird alle 3-4 Wochen z.B. von einem Pflegedienst gewechselt.

Entfernung der Harnblase (Zystektomie)

Falls andere Therapiemaßnahmen nicht den gewünschten Erfolg erzielt haben, kann auf Wunsch eines Patienten die Harnblase entfernt werden. Dies ist vor allem bei z.B. durch Bestrahlung dauerhaft geschädigten Harnblasen (Strahlenblase) sinnvoll, um beschwerdefrei leben zu können.

Harnblasenersatzoperationen haben in den vergangenen Jahren an Häufigkeit zugenommen und verlaufen zugleich immer erfolgreicher. Die Spezialisten unseres Teams haben diese Entwicklung begleitet und führen mit ihrer jahrelangen Erfahrung die Operationen regelmäßig in hoher Anzahl selbst durch. Dabei bemühen wir uns immer auch um kosmetisch ansprechende Lösungen. In Abhängigkeit von Alter und allgemeinem Gesundheitszustand sucht unser Team gemeinsam mit Ihnen nach der individuell am besten geeigneten Lösung.

Grundsätzlich wird für Harnblasenersatzoperationen Gewebe aus dem Dünn- oder Dickdarm verwendet. An einem anderen Ersatzgewebe („Tissue engineering“) wird international gearbeitet, ohne dass bisher praxistaugliche Lösungen entstanden sind.

Weitere Informationen finden Sie in dem Abschnitt Harnblasenersatz.