Unsere Philosophie: Minimalinvasive Rekonstruktion (Da Vinci)
Es gibt in der Klinik für Urologie in Bochum eine ganze Reihe von rekonstruktiven Maßnahmen im oberen Harntrakt, die angepasst auf die individuelle Situation zur Anwendung kommen.
Im Zentrum dieser Techniken steht für unser Team immer der vorsichtige Umgang mit dem Ureter (Harnleiter), der tief im hinteren Bauchraum liegt und sehr empfindlich und schnell auf chirurgische Maßnahmen mit Narbenbildung reagiert. Der Harnleiter selbst hat lediglich eine Dicke von ca. 5 mm, sein Innendurchmesser ist noch geringer. Grundprinzipien bei diesen rekonstruktiven Maßnahmen sind: Naht nur am gut durchbluteten Harnleiter, Verwendung ausschließlich feinster Nähte, die absolut spannungsfrei und wasserdicht sein müssen. Da der Ureter (Harnleiter) tief und verborgen im Körper liegt, war er in der Vergangenheit nur mit großen Bauchschnitten für den urologischen Chirurgen zu erreichen.
Mit dem Aufkommen der laparoskopischen (Schlüsselloch-) Chirurgie hat sich dies geändert. Die Hinzunahme des Da-Vinvi-Systems ermöglicht nun eine noch feinere und präzisere Naht. Besondere Vorteile spielt das da Vinci – System für den Chirurgen dabei mit seinem ruhigen Bild, dreidimensionale Sicht, extremer Beweglichkeit der feinen Instrumente und Bewegungsübersetzung aus. Im Grunde, erläutert Chefarzt PD Dr. Ubrig, handelt es sich beim da Vinci System um ein großes Operationsmikroskop, das dem urologischen Chirurgen hilft, die erprobten Verfahren mit über Jahrzehnte dokumentierter Behandlungsqualität auf die minimalinvasive Chirurgie zu übersetzen.
Im robotischen Zentrum des Augusta-Krankenhauses in Bochum haben wir uns in der Vergangenheit an der Entwicklung dieser Methoden auf laparoskopischem Wege beteiligt und haben die Einführung des da-Vinci-Systems sofort für diese Techniken übernommen. Wir sehen dies als einen großen Fortschritt an auf dem Boden unserer nahezu zehn Jahre langen Erfahrung mit der minimalinvasiven Rekonstruktion dieser Engen.
Um Harnleiterengen operativ zu korrigieren, sind einige fünf bis acht Millimeter kleine Schnitte in der Bauchhaut erforderlich, um die Kanäle (Ports) für die Instrumente und die Videokamera (3-D-System) des Da-Vinci-Systems einzuführen. Wie viele (mindestens drei) und wo die Zugänge gelegt werden, entscheidet sich überwiegend an der Lage und der Länge der zu behandelnden Striktur (Harnleiterenge, Harnleiternarbe).
Reparatur tiefer Harnleiterengen (minimal-invasiv / da Vinci)
Diese rekonstruktive Prozedur erfordert extrem feine Präparation und Nahttechnik. Es wird durchgeführt, wenn es eine Blockade des Ureters im unteren Drittel gibt, wo der Ureter auf die Blase trifft. Der Chirurg durchtrennt den Ureter direkt oberhalb der Blockade und entfernt ggfs. den erkrankten unteren Anteil. Dann wird der gesunde Teil des Ureters mittels einer speziellen Nahttechnik neu in die Harnblase eingepflanzt. Dies geschieht durch die Schaffung einer neuen Öffnung in der Harnblase und die Verbindung des Harnleiters. Die Schaffung dieser neuen Verbindung ist sehr anspruchsvoll und wird durch das da Vinci System hervorragend unterstützt.
End-zu-End Anastomose (minimal-invasiv)
Diese Prozedur wird durchgeführt, wenn die Blockade des Ureters (Harnleiters) im oberen oder mittleren Bereich liegt. Es ist in diesen Fällen notwendig, die Engstelle auszuschneiden und dann die verbliebenen Anteile wieder zu vernähen. Dies ist in der Regel nur bei kurzstreckigen Engen von 1 bis 2 cm Länge möglich.
Psoas-bladder-hitch-Plastik
Wenn das gesunde Ende des Harnleiters zu weit von der Harnblase entfernt ist, um eine spannungsfreie Naht zu erreichen, muss die Harnblase zum gesunden Ureterabschnitt hin bewegt werden, um eine spannungsfreie Verbindung zwischen Harnleiter und Blase zu ermöglichen. Dazu wird die Harnblase teilweise von Verwachsungen befreit und dann an der Sehne des Psoas-Muskels angenäht. Dies eliminiert die Spannung zwischen dem Harnleiterende und der Blase. Die Technik erfordert eine extrem feine Präparation und Nahttechnik. Der gesunde Teil des Ureters wird mittels einer speziellen Nahttechnik neu in die Harnblase eingepflanzt. Dies geschieht durch die Schaffung einer neuen Öffnung in der Harnblase und die Einbettung des Harnleiters. Die Schaffung dieser neuen Verbindung ist sehr anspruchsvoll und wird durch das da Vinci System hervorragend unterstützt.
Boari-Lappen-Plastik
Der Boari-Lappen ist eine weitere Technik zur Behandlung von Harnleiterengen im unteren Harnleiterabschnitt. Die Technik wird nur noch in Einzelfällen angewandt, ist aber mit dem da-Vinci-System gut umzusetzen. Gelegentlich kann eine ausgedehntere Enge, die bis in den mittleren Ureterabschnitt reicht, damit überbrückt werden.
Ileum-Interponat (minimal-invasiv)
Durch den Chefarzt der Klinik für Urologie in Bochum, PD Dr. med. Ubrig, wurde in Deutschland das laparoskopisch-assistierte Ileuminterponat etabliert. Hier handelt es sich um einen kompletten Ersatz des gesamten Harnleiters vom Nierenbecken bis zur Harnblase durch ein 15 bis 20 cm langes Stück Dünndarm (Ileum).
Früher war dazu regelmäßig ein Schnitt vom Brustkorb bis in den Genitalbereich erforderlich. Dies kann nun ohne große Schnitte elegant über die Technik der Schlüssellochchirurgie in hoher Präzision durchgeführt werden. Diese Art von Maßnahme ist aber nur erforderlich bei sehr langstreckigen Harnleiterstrikturen. Diese entstehen zum Beispiel durch Erkrankungen wie Morbus Ormond, komplexe endourologische Voroperationen (Harnleiterabriss) im Rahmen von Steintherapien, schweren Unfällen oder auch in seltenen Fällen bei Tumorbefall des Harnleiters.
Rekonfiguriertes Koloninterponat
Steht nicht ausreichend Dünndarm zur Verfügung oder ist der Bauch zu vernarbt (Voroperationen, Vorbestrahlungen), so kann auf kurze Dickdarmabschnitte zurückgegriffen werden (z.B. 3 cm lang), die in ein langstreckiges Segment umgeformt werden.
Robotisch assistierte Ureterocalicostomie (da Vinci)
Diese komplexe Prozedur ist nur selten erforderlich. In der Regel handelt es sich um Patienten mit chronisch erweitertem Nierenhohlsystem (langjährig gestaute Niere) und Voroperationen im Bereich des Übergangs zwischen Nierenbecken und Harnleiter. Fast immer ist eine erfolglose Nierenbeckenplastik vorausgegangen.
Künstlicher Harnleiterersatz (Detour-Prothese)
Der künstliche Harnleiter wird als Prothese von der Niere unter der Haut bis in die Blase verlegt. (Harnleiterbypass) Ein Wechsel ist nicht vorgesehen. Dies bedeutet eine nahezu natürliche Harnableitung ohne Verlust von Lebensqualität und vor allem die Unabhängigkeit von Harnleiterschienen. Ein künstlicher Harnleiterersatz stellt eine gute Alternative für einige Jahre dar.
Harnleiter-Schienen-Dauerversorgung
Die dauerhafte Schienung eines Harnleiters mit einem flexiblen Silikonschlauch, dem so genannten Double-J-Harnleiterkatheter, stellt eine vielfach bewährte Methode bei Abflusshindernissen im Bereich des Harnleiters dar. Der Katheter überbrückt die Strecke zwischen Nierenbecken und Harnblase und stellt einen ungehinderten Urinabfluss sicher. Die Urinentleerung findet auf natürlichem Wege statt. Diese Lösung findet als Dauerlösung Anwendung, falls eine rekonstruktive Operation nicht möglich oder nicht gewünscht ist. Die einliegende Schiene muss in der Regel alle 3 bis 6 Monate endoskopisch gewechselt werden.
Nierenkatheter (PCN)
Eine vorübergehende oder dauerhafte Ableitung des Urins mittels eines Nierenkatheters (Percutane Nierenfistel / PCN) direkt aus dem Nierenbecken ist eine Lösung, wenn eine Wiederherstellungsoperation des Harnleiters oder die Versorgung mit einer Harnleiterschiene nicht möglich bzw. nicht gewünscht ist.
Der Nierenkatheter wird als flexibler Silikonschlauch mittels einer Punktion über die Flanke von außen im Nierenbecken platziert und stellt die Urinableitung in einen Auffangbeutel sicher. Der PCN Katheter muss alle 4-6 Wochen gewechselt werden. Dies geschieht über den bereits etablierten Kanal.